Marven Graf - Die Künstlerin

Vorstellung der 41. Stipendiatin zur Kunstjahreseröffnung 2015

Wenn Marven Graf Medienbilder zum Bezugspunkt ihrer Malerei und Fotografie macht, geht es ihr nicht um Medienkritik oder Aufklärung, vielmehr fasziniert sie die unglaubliche Wirkung dieser Bilder, ihre sozialpsychologischen Strategien von Einflussnahme, ihre Bildsprache und Ästhetik und – nicht zuletzt deren Bedeutung als Instanz für die Begriffe von Wirklichkeit, Leben, Glück und Erfolg.

Beobachtung und genaue Recherche ist deshalb Ausgangspunkt ihrer Werkkomplexe. Sie analysiert die Haut-Töne der Models großer Modemarken und setzt sie in altmeisterlicher Lasurmalerei zu großformatigen Gemälden um, die jeweils einem Label gewidmet sind. Die scheinbar einfarbigen Flächen sind allerdings nicht nur eine statistische Größe, sondern fangen an zu vibrieren und werden transparent wie die menschliche Haut.

Parallel dazu „verschönert“ sie im Selbstversuche mit transparenten Klebestreifen ihr eigenes Gesicht. In der Ästhetik exklusiver Modefotografie, schneidert sie sich hautenge Sportkleidung, deren Muster die Markierung der Körperstellen für den operativen Eingriff des Schönheitschirurgen ist. Ihre Bilder aber sollen keine Angst machen, sondern trotz des Themas schön und ambivalent sein.

Marven Graf - Ihre Ausstellung

Schiehed vergedd, Agga bestedd

ist der Titel der 41. Stipendiat/innen Ausstellung in Willingshausen. Das ist Schwälmer Platt und heißt übersetzt: „Schönheit vergeht, Acker besteht“. Die Künstlerin Marven Graf begegnete dieser alten Bauernweisheit, als sie auf der Suche nach dem Verständnis von Schönheit in Willingshausen war.

Wie formuliert sich Schönheit? Gibt es Definitionen? Wer liefert oder behauptet sie? Marven Graf beschäftigt seit längerem dieses Thema. So arbeitete sie 2013 über Schönheitschirurgie und übertrug die dort verwendeten „Schnittmuster“ auf ihr fotografisches Porträt oder attraktive Sportkleidung. So übersetzte sie 2014 die Haut-Töne auf Fotografien von Models, die für Markenparfums posierten, in akademisch ausgeführte Malereien. Natürlich entdeckte sie auch in der traditionellen Schwälmer Tracht solche Verbindlichkeiten von Schönheit. So musste sich der Stolz der Frauen nicht nur in ihrem Auftreten, ihrer Persönlichkeit zeigen, sondern auch in der Tracht ablesbar sein: Unter dem Unterkleid, den 10 Röcken, der Bluse, der Weste, dem Jäckchen, dem Brett, dem Tuch und der Schürze befand sich auch immer ein sogenannter stolzer Strumpf.

Dass die Schwälmer Tracht ihre Anmut und Schönheit selbst heute und in einem modernen Kontext nicht verliert, zeigt die Künstlerin zum einen in einer Serie konzeptioneller Malerei, die die traditionellen Strickmuster der Schwälmer Tracht aufnimmt, zum anderen in Modefotografien, auf denen die 14-jährige Antonia Lohrey zu sehen ist.

Stolz können auch die anderen Frauen des Dorfes sein, wenn sie sich als Teil der Ausstellung in einer Soundcollage um die Wette seufzen hören werden.

Im Herbst vergeht doch auch der Acker, wird zur bloßen Erde, musste Marven Graf in den drei Monaten ihres Aufenthalts auf dem Land feststellen, aber dass die Schönheit vergeht, bleibt mit ihren künstlerischen Arbeiten noch zu diskutieren.

Marven Graf, 1986 in Göttingen geboren, studierte 2008 bis 2013 Spanisch und Kunst für gymnasiales Lehramt. 2011 Auslandsaufenthalt in Salamanca, Spanien. 2014 schloss sie das Studium Bildende Kunst bei den Professor/innen Friederike Feldmann, Kerstin Drechsel und Bernhard Prinz ab. Sie lebt und arbeitet in Kassel.

BERNHARD BALKENHOL, Kurator des Künstler/innen Stipendium Willingshausen zur Eröffnung der Ausstellung
 
Vernissage am 20.11.2015 um 19:00 Uhr in der Kunsthalle Willingshausen, Merzhäuser Straße 1
 
Ausstellungsdauer 21.11. bis 20.12.2015
Öffnungszeiten: Di-Fr 9-12 und 14-17 Uhr, Sa-So  10-12 und 14-17 Uhr
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